Förderpreis Beton | Interview mit Tobias Schack - Cemex DE

Bilder, die Beton bewerten

Bilder, die Beton bewerten

Für seine Promotion entwickelte Tobias Schack digitale Methoden, um die Qualität von Beton zu prüfen. Gerade vor dem Hintergrund neuer Betonrezepturen bekommt diese Technologie eine besondere Bedeutung, berichtet der Cemex-Förderpreis-Beton-Preisträger im Interview.

Beton begleitet Tobias Schack seit Beginn seiner beruflichen Karriere. Seine Ausbildung als Baustoffprüfer schloss er als bundesweit Jahrgangsbester ab. Im Anschluss studierte er Bau- und Umweltingenieurwesen sowie Konstruktiven Ingenieurbau an der Leibniz Universität Hannover, wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt ist. 2023 erhielt er für seine Dissertation zur bildbasierten Frischbetonprüfung den Cemex Förderpreis Beton.


Dr.-Ing. Tobias Schack
Leibniz Universität Hannover
Institut für Baustoffe 
Fakultät für Bauingenieurwesen und Geodäsie
t.schack@baustoff.uni-hannover.de 

Welche Problemstellung untersuchen Sie in Ihrer Doktorarbeit?

Dr.-Ing. Tobias Schack: Auch im Betonbau müssen wir uns immer mehr mit Klimaschutz und Ressourceneffizienz beschäftigen. Die Betone werden immer komplexer. Es ist nicht mehr ein Dreikomponentensystem aus Zement, Wasser und Gesteinskörnung, sondern ein Multiparametersystem. Die Zemente bestehen heute schon aus drei bis vier Hauptbestandteilen. Zudem setzen wir immer mehr rezyklierte Gesteinskörnung ein. Somit holen wir uns deutlich mehr Schwankungen ins System. Diese gilt es bei der Frischbetonherstellung zu beherrschen. Meine Arbeit soll dazu beitragen, die Eigenschaften des Betons bei der Herstellung und Verarbeitung zielsicher zu erfassen und zu bewerten.

Mit den bisherigen Methoden ist das nicht zufriedenstellend möglich?

Dr.-Ing. Tobias Schack: Die auf der Baustelle bisher angewendeten Methoden sind sehr stark empirisch geprägt. Es hängt viel davon ab, wie viel Erfahrung die Prüfenden haben. Ein Baustoffprüfer, der seit 30 Jahren auf der Baustelle ist, kann subjektiv anhand des Erscheinungsbildes des Betons viele Eigenschaften abschätzen. Es ist aber keine quantitative Bewertung auf diese Weise möglich. Genau solche Bewertungsverfahren, die auf der Baustelle einsetzbar sind und die Betoneigenschaften quantitativ in Echtzeit erfassen und bewerten, brauchen wir aber.

Ein Blick in das Betonlabor von Cemex in Rüdersdorf: Hier wird die Qualität der Zemente bestimmt. Foto: © Roland Horn

Wie haben Sie dafür eine passende Technologie entwickelt?

Dr.-Ing. Tobias Schack: Standardmäßig wird auf der Baustelle das sogenannte Ausbreitmaß gemessen, um die Konsistenz und damit die Verarbeitbarkeit des Frischbetons einzuordnen. Dieses normative Prüfverfahren gibt es seit mehr als 60 Jahren. Der erfahrene Prüfer erkennt bei der Durchführung noch weitere Merkmale in der Oberfläche des ausgebreiteten Frischbetons, wie zum Beispiel eine starke Reflexion oder Absonderungen von Leim, die zur Abschätzung von Betoneigenschaften genutzt werden können. Genau diese Aspekte habe ich auch im Rahmen meiner Arbeit genutzt, nur dass ich diese bisher augenscheinlich erkennbaren Merkmale in eine quantitative Methode überführt habe.

Wie gelang das?

Dr.-Ing. Tobias Schack: Der Ausbreitversuch wird dabei immer noch standardmäßig durchgeführt. Im Anschluss werden Bilddaten vom ausgebreiteten Frischbeton mit einer standardmäßigen Kamera aufgenommen. In diesen Bildern werden spezifische Muster und Strukturen ermittelt. Das können zum einen geometrische 2-D-Eigenschaften, aber auch aus mehreren Bildern ermittelte 3-D-Informationen sein. Die identifizierten Merkmale werden in Kennwerte umgewandelt, die zum Beispiel die Oberflächenstruktur des Frischbetons beschreiben. Darüber lässt sich unter anderem der Leimgehalt, die Korngrößenverteilung oder das Größtkorn der Gesteinskörnung präzise bestimmen. Auch für die Reflexion habe ich Kennwerte hergeleitet, um zum Beispiel auf das Wasserrückhaltevermögen des Frischbetons rückschließen zu können.

Auf Fotos lassen sich unterschiedliche Eigenschaften des Frischbetons bestimmen. Foto: © Dr.-Ing. Tobias Schack
Auf Fotos lassen sich unterschiedliche Eigenschaften des Frischbetons bestimmen. Foto: © Dr.-Ing. Tobias Schack
Aus Bilddaten berechnete Oberflächenmodelle zeigen die Eigenschaften von Frischbeton. Foto: © Dr.-Ing. Tobias Schack
Aus Bilddaten berechnete Oberflächenmodelle zeigen die Eigenschaften von Frischbeton. Foto: © Dr.-Ing. Tobias Schack
Baustoffprüfende könnten über die Bilddatenanalyse künftig die Qualität des Frischbetons bestimmen. Foto: © Dr.-Ing. Tobias Schack
Baustoffprüfende könnten über die Bilddatenanalyse künftig die Qualität des Frischbetons bestimmen. Foto: © Dr.-Ing. Tobias Schack
Unter anderem geben messbare Reflexionen Hinweise auf die Eigenschaften des Frischbetons. Foto: © Dr.-Ing. Tobias Schack
Unter anderem geben messbare Reflexionen Hinweise auf die Eigenschaften des Frischbetons. Foto: © Dr.-Ing. Tobias Schack

Könnte sich das Berufsbild des Baustoffprüfers durch solche Methoden verändern?

Dr.-Ing. Tobias Schack: Ich denke, für jüngere Menschen könnte der Beruf attraktiver werden. Wir spüren bereits einen Rückgang in den Auszubildendenzahlen. Wenn Methoden der Künstlichen Intelligenz oder Computer Vision im Betonbau zum Einsatz kommen, kann das Jugendliche begeistern.

Konkret würde Ihre Technologie über eine Handy-App zum Einsatz kommen, die über Fotos die Qualität des Frischbetons prüft?

Dr.-Ing. Tobias Schack: Das wäre vorstellbar. Unser Ziel ist es, die Technologie möglichst schnell in die Produktreife zu überführen. Dazu würden wir gerne ein Start-up aus dem Lehrstuhl ausgründen. Ich hoffe, es klappt noch in diesem Jahr. Ein Vorteil der Methode ist auch, dass wir zum Beispiel die Baustelle direkt mit dem Herstellerwerk vernetzen können. Der Lieferant könnte festgestellte Qualitätsabweichungen auf Basis der digitalen Daten schnellstmöglich anpassen.

Die Bauindustrie war bislang sehr analog unterwegs. Inwiefern ändert sich das gerade?

Dr.-Ing. Tobias Schack: Viele stehen neuen Anwendungen offen gegenüber. Momentan sind die meisten Methoden noch auf theoretische Daten fokussiert. Zur digitalen Qualitätsregelung des Frischbetons sind aber Daten des Ist-Zustands notwendig, um mögliche Schwankungen zu erfassen und dann zielsicher reagieren zu können. Deshalb müssen digitale Methoden zur Qualitätsprüfung des Frischbetons in den Produktionszyklus des Frischbetons integriert werden.

Nachhaltige Impulse

Unter dem Motto „Besser mit Beton“ fand im April 2023 das BetonForum von Cemex statt. Im Mittelpunkt eines Panels mit Expertinnen und Experten stand der Austausch über die Einsparung grauer Emissionen. 

Welchen Beitrag leistet Ihre Innovation zu mehr Nachhaltigkeit am Bau?

Dr.-Ing. Tobias Schack: Die Schwankungen in den Ausgangsstoffen, die wir künftig beherrschen müssen, werden immer größer. Neben der Gesteinskörnung als natürlichem Rohstoff holen wir zum Beispiel noch rezykliertes Material herein. Diese Schwankungen müssen wir zeiteffizient und zielsicher ermitteln und regeln. Darüber hinaus müssen wir Klinker einsparen. Das können wir durch neue Zemente oder einen verringerten Zementgehalt im Beton erreichen. Betontechnologisch bedeutet Letzteres aber, dass die Betone nicht mehr so robust reagieren, zum Beispiel auf Schwankungen des Wassergehalts. Eine präzise Ermittlung der Betoneigenschaften wird zur zielsicheren Anwendung solcher Betone immer wichtiger. Dies gelingt nur mit neuen innovativen Methoden zur Qualitätsprüfung des Frischbetons. Die entwickelte Methode der bildbasierten Frischbetonprüfung bildet die Grundlage für eine mögliche digitale Qualitätsregelung des Frischbetons.

Vom Cemex Förderpreis Beton erhofft sich Tobias Schack mehr Aufmerksamkeit für sein Promotionsthema. Foto: © Sobolewski

Was fasziniert Sie an Beton?

Dr.-Ing. Tobias Schack: Mich begeistert, dass man aus so einem relativ einfach zusammengesetzten, aber trotzdem hochkomplexen Material Bauteile in nahezu jeder Form herstellen kann. Diese Flexibilität der Formbarkeit kombiniert mit der Komplexität des Baustoffs, die immer wieder neue Fragen aufwirft, finde ich spannend.

Was bedeutet der Cemex Förderpreis Beton für Sie?

Dr.-Ing. Tobias Schack: Es ist eine wahnsinnige Freude und erfüllt mich mit großem Stolz, denn der Preis hat in unserer Branche einen sehr guten Ruf. Es werden immer Ideen mit einem sehr hohen Wert für die Praxis ausgezeichnet. Mein Thema bekommt dadurch natürlich noch einmal mehr Aufmerksamkeit. Das ist für mich extrem positiv, auch im Hinblick auf die Überführung der Idee in die Praxis.

Das könnte Sie auch interessieren:

Unser bauwerk-Newsletter

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erfahren Sie mehr über unsere Produkte, Strategie und Innovationen.