CEMEX Beitrag zum CO₂-neutralen Bauen - Cemex DE

„Wir dürfen uns nicht in politischen Zielvorgaben verheddern.“

„Wir dürfen uns nicht in politischen Zielvorgaben verheddern.“

Im Interview erklärt Rüdiger Kuhn, Vorstandsvorsitzender der CEMEX Deutschland AG, wie sektorübergreifende Partnerschaften die Nachhaltigkeit voranbringen und welchen Beitrag CEMEX zum CO2-neutralen Bauen leistet.

Seit mehr als 25 Jahren ist Rüdiger Kuhn in der Baustoffbranche tätig. Nach seinem BWL- und Slawistik-Studium an der Freien Universität Berlin arbeitete der Vater von zwei Söhnen unter anderem in Sankt Petersburg und Warschau. Als Vorstandsvorsitzender der CEMEX Deutschland AG verantwortet er heute unter anderem die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens. Zudem führt er als Vice President Materials länderübergreifend den Geschäftsbereich Beton und mineralische Rohstoffe in Zentraleuropa. Anfang 2020 wurde er als Vertreter der Wirtschaft in den Nachhaltigkeitsbeirat des Landes Brandenburg berufen.

Kontakt

CEMEX Deutschland AG
Alexandra Decker
Manager Public Affairs
alexandra.decker@cemex.com

Ein starkes Team: Alexandra Decker, Manager Public Affairs Germany & Central Europe, Social Impact & ERM Germany, mit Rüdiger Kuhn und Philipp Roder, CO2-Innovationsmanager im Zementwerk in Rüdersdorf. Foto: © Roland Horn

Herr Kuhn, der Gebäudesektor hat die von der Bundesregierung festgelegten Nachhaltigkeitsziele 2021 zum zweiten Mal verfehlt. Wo sehen Sie die Gründe?

Rüdiger Kuhn: Ich denke, das liegt zum größten Teil daran, dass wir uns in den politischen Zielvorgaben verheddert haben. Schuld ist weniger die Bauindustrie als der regulatorische Rahmen. Das wird deutlich, wenn man sich anguckt, was an konkurrierenden Zielen alles da ist. Wir sollen auf der einen Seite die berühmten 400.000 Wohnungen bauen, die das Bauministerium anstrebt. Die erreichen wir nicht; es geht eher hin zu 250.000 Wohnungen dieses Jahr. Die Statistiken sagen, nächstes Jahr werden es 200.000 Wohnungen. Das heißt, wir bleiben weit unter den Zielvorgaben. Die Gründe sind vielfältig. Da sind die steigenden Zinsen; das Bauen wird immer teurer. Die Materialien sind nach wie vor knapp und die Fachkräfte werden noch knapper. Gleichzeitig soll das, was gebaut wird, immer höhere Standards erfüllen. Es muss barrierefrei sein, es muss energieeffizient sein, es dürfen nur nachhaltige Materialien verbaut werden, und das Ganze muss dann noch so gebaut werden, dass es nachher zu Sozialmieten dem Markt übergeben werden kann. Das passt in sich schon nicht. Parallel zu dieser Vorgabe kommt das Wirtschaftsministerium und sagt: Wir müssen alle Bestandsbauten energetisch sanieren, Millionen von Ölheizungen gegen Wärmepumpen austauschen. Gleichzeitig sagt die Stromwirtschaft: Packt nicht noch mehr Strombedarf auf die bestehenden Netze. Wir können das nicht beliefern. In diesem Durcheinander sind wir momentan gefangen. Das heißt, wenn der Gebäudesektor die Vorgaben nicht erfüllt, dann muss man erst einmal schauen: welche Vorgaben eigentlich? Die des Wirtschaftsministeriums oder die des Bauministeriums? Und warum werden sie nicht erfüllt?

Fahrzeuge mit Elektroantrieb machen den Betontransport CO<sub>2</sub>-neutral. Foto: © CEMEX Deutschland/Mehdi Bahmed
Fahrzeuge mit Elektroantrieb machen den Betontransport CO2-neutral. Foto: © CEMEX Deutschland/Mehdi Bahmed
An vielen Standorten bezieht CEMEX Strom aus erneuerbaren Energien. Foto: © Marcin Oliva Soto
An vielen Standorten bezieht CEMEX Strom aus erneuerbaren Energien. Foto: © Marcin Oliva Soto

Wie ließen sich diese Widersprüche auflösen?

Rüdiger Kuhn: Neulich hörte ich auf einer Veranstaltung einen Kommentar, der mich zum Nachdenken brachte: Warum vergessen wir nicht mal alle diese konkurrierenden Ziele, nehmen uns eins heraus und stecken alles an Material, an Kraft, an Manpower hinein? Und dieses Ziel sollte sein, so schnell wie möglich erneuerbare Energien für alle Bedarfe zur Verfügung zu stellen. Wenn wir das erreicht haben, widmen wir uns den anderen Zielen. Für den Gebäudesektor würde das heißen: Wenn wir überall CO2-neutrale, erneuerbare Energie haben, dann ist es für einen Wohnblock erst einmal egal, welche Effizienzklasse er erfüllt. Denn er ist eh CO2-neutral. Wir würden damit Zeit gewinnen für alle anderen Vorhaben.

Allein für die Energiewende werden 30 Millionen Tonnen Zement zum regulären Verbrauch hinzukommen.

Rüdiger Kuhn
Vorstandvorsitzender und Vice President Materials Central Europe von CEMEX Deutschland

Welche Bedeutung haben die erneuerbaren Energien für die Baustoffproduktion?

Rüdiger Kuhn: In der Baustoffproduktion fokussieren wir uns letztlich im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien auf die Frage: Wie stellen wir klimaneutralen Beton dem Markt zur Verfügung? Dahinter liegt die Grundprämisse, dass wir einen Baubedarf im Land haben wie in den letzten 50 bis 60 Jahren nicht. Der Materialbedarf ist riesig, nicht nur für den Wohnungsbau. Allein für die Energiewende werden 30 Millionen Tonnen Zement zum regulären Verbrauch hinzukommen. Vor dieser Prämisse müssen wir als Baustoffproduzenten sagen, dass der Beton so schnell wie möglich klimaneutral werden muss.

Auf dem Weg zum klimaneutralen Zement

Die Basis nachhaltiger Bauprojekte ist ein umweltfreundlicher Zement. CEMEX geht mit einer globalen Unternehmensstrategie, der „Future in Action“, voran und strebt die CO2-Neutralität seines Rüdersdorfer Werks bereits für 2030 an.

Wie kann das gelingen?

Rüdiger Kuhn: Wenn wir uns die Komponenten im Beton ansehen, kommt der größte Fußabdruck aus dem Zement. Durch die prozessgebundenen Emissionen bei der Klinkerproduktion ist der Zement der größte Emittent. Da müssen wir also ansetzen. Unter dem Schirm der Carbon Neutral Alliance in Rüdersdorf haben wir zusammen mit Industriepartnern die Zielstellung, das Zementwerk bis 2030 klimaneutral zu betreiben. Das erreichen wir, indem wir das CO2 abscheiden. Dieses CO2 verarbeiten wir zu synthetischen Treibstoffen. Das tun wir, indem wir parallel zur Abscheideanlage einen großen Elektrolyseur haben, den wir mit grüner Energie aus Photovoltaik und Windenergie betreiben. Der grün erzeugte Wasserstoff wird zusammen mit dem CO2 zum Beispiel zu synthetischem Kerosin umgewandelt. Das heißt, erneuerbare Energie ist für die CO2-Neutralität des Zementwerks extrem wichtig. Der zweite Bestandteil im Beton ist der Kies. Wir betreiben bereits einige Kieswerke mit schwimmender Photovoltaik auf den ausgekiesten Flächen und können den Kies perspektivisch CO2-neutral abbauen. Die Fahrzeuge in diesen Kieswerken betreiben wir zunehmend hybrid und stellen sie nach und nach auf kompletten Elektroantrieb um. Den Kies transportieren wir mit dem Schiff oder der Bahn in die Transportbetonwerke. Auch sie werden zunehmend mit Solarenergie betrieben. In einem Pilotprojekt in Berlin setzen wir momentan elektrische Fahrmischer ein. So können wir den CO2-neutralen Zement CO2-neutral an die städtischen Baustellen bringen.

Die Herstellung von Zement ist für den größten Teil der CO2-Emissionen in der Baustoffindustrie verantwortlich. Grafik: © CEMEX

Welche Innovationen ebnen den Weg zu mehr Nachhaltigkeit?

Rüdiger Kuhn: Innovativ ist es, eine Mischung zu haben aus erneuerbaren chemischen Prozessen nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren und zusätzlichen Maßnahmen wie Abwärmegewinnung und Dampferzeugung, um Turbinen anzutreiben. Da wir vermutlich nicht alles an CO2 über das Verfahren der Carbon Capture and Utilization (CCU) verarbeiten können, sind wir bereits auf der Suche nach Nutzungsmöglichkeiten für eine andere Methode: Carbon Capture and Storage (CCS). Hier wird es spannend, wie sich die Politik positioniert. Können wir dieses CCS im Inland angehen oder müssen wir es zur Küste transportieren, wofür wir eine CO2-Infrastruktur benötigen würden? Zusammen mit dem Land Brandenburg arbeiten wir als Teil des ostdeutschen Wasserstoffclusters daran, eine alte Gaspipeline künftig für CO2 zu nutzen. Da werden neben dem Zementwerk in Rüdersdorf die PCK Raffinerie in Schwedt, ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt und BASF dranhängen. Hier gibt es noch viele Punkte, die zu klären sind, auf nationaler wie europäischer Ebene.

Welche Rolle spielen Partnerschaften in der Industrie und darüber hinaus?

Rüdiger Kuhn: Früher hat eigentlich jedes Industrieunternehmen nur auf sich geguckt. Das reicht heute bei Weitem nicht mehr aus. Heute müssen alle Unternehmen in Kooperationen gehen – ob das chemische Betriebe sind oder Erzeuger erneuerbarer Energie, ob das die Gemeinde ist, mit der wir über Themen wie Abwärme und das Fernwärmenetz sprechen, oder der BER als Abnehmer des synthetischen Kerosins. Nur gemeinsam lässt sich mehr Nachhaltigkeit erreichen.

Durch verschiedene Maßnahmen soll das Zementwerk in Rüdersdorf bis 2030 CO2-neutral werden. Grafik: © CEMEX

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